In diesem Jahr richtet sich der Blick auf die aktuelle Verwendung und Funktion der Regionalsprache in beruflichen Zusammenhängen. 

Noch vor zwei oder drei Generationen galt der Arbeitsalltag und seine sprachliche Bewältigung als einer der Eckpfeiler für die Weitergabe und den Fortbestand des Niederdeutschen. Heute hat es den Anschein, als gäbe es in der norddeutschen Arbeitswelt allenfalls Relikte niederdeutscher Berufs- oder Fachsprachlichkeit. 

Umfragen der vergangenen vier Jahrzehnte bestätigen den Rückgang des Niederdeutschen als alleinige oder vorrangige Sprache am Arbeitsplatz. 2016 sagten nur 11 % der Befragten, sie würden überhaupt Platt auf der Arbeit sprechen. In der aktuellen gesellschaftlichen Situation geht es also um ein arrangiertes Nebeneinander, bei dem der Regionalsprache bestimmte Segmente zugebilligt werden. Ein Großteil der Berufsfelder unterliegt seit Jahrzehnten einem erheblichen Wandel. Solche Veränderungen müssen sich auch in der sprachlichen Umsetzung widerspiegeln, und zwar sowohl in der fachinternen Kommunikation unter Berufskolleg:innen als auch in der interfachlichen Auseinandersetzung mit Vertreter:innen anderer Berufe und besonders im fachexternen Austausch mit Kund:innen und anderen Laien. Nun darf vermutet werden, dass in den traditionellen Handwerkerberufen ebenso wie in der Landwirtschaft und der Fischerei die niederdeutsche Sprache auch heute eine selbstverständlichere Rolle spielt. Gerade vor diesem Hintergrund aber versucht das Projekt, einen Blick auf die Sprachlichkeit „neuer“ Berufsfelder zu werfen.

Dass Kommunikation auch in „neuen“ Berufen mit niederdeutschen Anteilen absolviert wird, ist zwar aus persönlichen Gesprächen bekannt, von der Wissenschaft bisher allerdings vernachlässigt worden.

Fakt ist, dass diese komplexe Art der Kommunikation in einer mehrsprachigen Alltagswelt existiert und dass sie in der Regel von allen Beteiligten wertgeschätzt wird. Insofern unterzieht das Vorhaben der Regionalsprache nicht zuletzt einer Vitalitätsprüfung. 

Anhand der Befunde aus unterschiedlichen Berufsfeldern wird punktuell aufgezeigt, welche Faktoren die Verwendung des Niederdeutschen im beruflichen Alltag steuern, welche fachbezogenen Inhalte transportiert werden, welche emotionalen Ebenen angesprochen werden und welche Funktionsaufteilung zwischen Hoch- und Niederdeutsch besteht. 
Das Berufsleben mit seinen Wirklichkeitsausschnitten, den zugehörigen sprachlichen Bewältigungsstrategien und nicht zuletzt den spezifischen sozialen Netzwerken hat für viele Menschen prägende Kraft. 

Das Projekt zielt darauf ab, berufsbezogene sprachbiografische Momente einzufangen. Niederdeutsche Sprachfähigkeiten werden innerhalb eines beruflichen Rahmens erworben, die erforderlichen Sprachkenntnisse können dabei durchaus obligatorisch und notwendig sein, als eine implizit unausgesprochene Arbeitskonvention. Andererseits herrscht gleichzeitig weitgehende Freiwilligkeit, und der kontinuierliche Auf- und Ausbau sprachlicher Kompetenzen findet hier eher zufällig am Aufkommen der aktuell anzuwendenden Sprachkompetenzen und anhand von Sprechervorbildern statt. 

Die gesammelten Texte dienen nicht nur der Sprachsicherung, vielmehr können sie auch auf andere Aktionsfelder des Spracherwerbs und der Sprachpflege ausstrahlen. 
Der überregionale Ansatz der Sammlung hat zudem zur Folge, dass eine breite Relevanz im gesellschaftlichen Leben für den gesamten niederdeutschen Sprachraum abgebildet wird. 

Es wird erfragt werden, in welchen Situationen Niederdeutsch angewendet wird. Ist die Verwendung des Niederdeutschen Ausdruck hierarchische Betriebsstrukturen? Wird Niederdeutsch mit bestimmten Personen gesprochen? Wie hoch ist das Ansehen von Niederdeutsch im Beruf und stellt die Sprachkompetenz einen notwendigen, ggf. gewünschten Skill dar, der für einen erfolgreichen Einstieg und eine erfolgreiche Ausübung des Berufes bedeutsam ist? 

Das Wissen um das Berufsverständnis und die erforderlichen Kernkompetenzen im sprachlichen Bereich ist auch für Bildungseinrichtungen und Ausbildungsstätten von Bedeutung, beispielsweise bei der Ausbildung des beruflichen Nachwuchses, sowie generell bei der Vermittlung von Arbeitnehmer:innen.