Niederdeutsch im beruflichen Kontext – 2024

Das Projekt „Niederdeutsch im beruflichen Kontext“:
Noch vor zwei oder drei Generationen galt der Arbeitsalltag und seine sprachliche Bewältigung als einer der Orte für die Weitergabe und den Fortbestand des Niederdeutschen. Heute hat es mehr den Anschein, als gäbe es in der norddeutschen Arbeitswelt allenfalls Relikte niederdeutscher Berufs- oder Fachsprachlichkeit. 2016 sagten nur 11 %, sie würden überhaupt Platt auf der Arbeit sprechen. An diesem Punkt wollten wir es genauer wissen.
Denn das Plattdeutsch nicht nur in traditionell dem Plattdeutschen zugeschriebenen Arbeitsfeldern, sondern auch in „neuen“ Berufen eine Rolle spielt, ist zwar aus persönlichen Gesprächen bekannt, von der Wissenschaft bisher allerdings vernachlässigt worden.
Hier setzt das diesjährige Projekt des INS an. In den vergangenen Monaten waren Mitarbeiterinnen in ganz Norddeutschland unterwegs und haben Gespräche geführt, Erfahrungen eingesammelt und mit verschiedensten Menschen Interviews geführt.
In den sprachbiographischen Interviews berichten Menschen aus ihrem Berufsalltag. Wir wollten unter anderem von ihnen wissen: Mit wem wird Plattdeutsch oder Hochdeutsch gesprochen, worüber spricht man und macht die jeweilige Sprache einen Unterschied?
Und so erfahren wir von unseren Interviewpartnerinnen, dass man sich unter Kollegen genauso auf Plattdeutsch austauscht, wie mit Kunden, dass man mittels des Plattdeutschen eine persönlichere Ebene erreicht als nur mit dem Hochdeutschen. Die Sprache hilft z.B. dabei, Patienten die Angst zu nehmen, sie kann im therapeutischen Einsatz hilfreich sein, wie eine der Teilnehmerinnen aus ihrer Logopädischen Erfahrung mit Schlaganfallpatienten berichtet. Plattdeutsch schafft auf Reisen ein Stück Heimat, das mitfährt. Auch in der Finanzwelt und dem Steuerwesen kann in der Praxis mit Plattdeutsch schneller Vertrauen aufgebaut, was wiederum für die Arbeit eine unschätzbare Grundlage bildet.
Und wenn nun jemand kein Plattdeutsch kann – dann ist Zweisprachigkeit für alle kein Problem, damit alle mitgenommen werden können.
Projektteilnehmer
Jürgen Peplinski
76 Jahre
Gelernter Elektroinstallateur, Heizung, Sanitär
Später Handelsvertreter für Farben
Aus dem Bereich Verden stammend, lag sein Einsatzgebiet als Handelsvertreter in Ostfriesland.
Renate Peplinski
75 Jahre
Gelernte Rechtsanwalt- und Notarfachangestellte, später tätig als Bankkauffrau.
Sina Rohwer

Viöl, Sie ist seit 3 Jahren selbstständig und bietet ihren Kunden kosmetische Fußpflege, Pediküre und Maniküre. Obwohl sie selbst kein Plattdeutsch spricht, hat sie aufgrund ihres Standorts häufig Kunden, die Platt schnacken.
Und auch das tut gut und schafft Verbindung. Die Kunden und Kundinnen fühlen sich wohler, wenn sie auf ihrer Muttersprache sprechen können und Grenzen, die sich durch die körpernahe Dienstleistung eventuell aufbauen, werden wieder gerissen.
Instagram Kontakt: fusspflege_vioel_sinarohwer
Hauptberuflich ist Sina Rohwer seit 23 Jahren im Einzelhandel tätig, in einem großen Bekleidungsfachgeschäft in Viöl, als Teamleitung für die Kinder- und Fashionabteilung. Plattdeutsch ist hier für viel Kunden seit Generationen selbstverständlich und wird auch von den Mitarbeitern verstanden und von vielen auch gesprochen.
Steffen Ketelsen
35 Jahre alt, Löwenstedt, öffentliche Verwaltung, Betriebsprüfer beim Finanzamt
H&P Steuerberatungsgesellschaft

Christoph Jenssen, Viöl, 33 Jahre alt
Das Unternehmen aus Nordfriesland wurde 1988 gegründet und berät seitdem Klienten – und das auch gern op Platt.
Gegrüßt wird in der Steuerkanzlei natürlich mit Moin, die Plakate auf Platt ziehen neue Auszubildende an und die Ausbildung selbst wird sogar zweisprachig durchgeführt. Viele Klienten kommen aus dem ländlichen Raum mit Schwerpunkt Land- und Forstwirtschaft, wo Platt traditionsgemäß häufiger gesprochen wird. Platt ist aus dem Unternehmen H&P nicht wegzudenken.
Christoph Jensen kennt das Unternehmen und die Kunden gut, denn er ist seit seiner Ausbildung im Unternehmen und mittlerweile Teil der Geschäftsführung.
Asphaltgruppe NORDWEST, Ems Jade Mischwerk

Die Nutzung von Niederdeutsch im beruflichen Kontext ist insbesondere in handwerklichen Berufen weit verbreitet. So konnten wir im Rahmen des PLATO-Projektes auch mit Mitarbeitern des Ems Jade Mischwerk der Asphaltgruppe Nordwest sprechen.
Neben den Ems-Jade-Mischwerken gehören noch die Asphalt-Mischwerke Osnabrück und das AWE Asphaltmischwerk zu der strategischen Partnerschaft in der Asphaltgruppe NORDWEST – gebündelte Kompetenz, um den technischen und logistischen Anforderungen des Asphaltstraßenbaus noch besser gerecht werden zu können.
Im Leitbild des Unternehmens ist die regionale Verankerung ein wichtiger Bestandteil – so auch das Plattdeutsche. Viele Mitarbeiter kommen aus der Region, so sind Platt und seine Dialekte sehr häufig zu hören.
Wir sagen danke für das Interview an Stefan Frerichs, Henrik Klaasen und Johann Schmidt. Die drei sprechen selbst in ihren Familien und untereinander plattdeutsch und kommen alle aus der Region. Viele lokale Kunden schätzen auch die Kommunikation auf Plattdeutsch.
PlattdüütschZentrum Leck

Fördern und erhalten, das hat sich das Plattdüütsch Zentrum Leck seit 30 Jahren zur Aufgabe gemacht und seitdem wird das Sprechernetzwerk ebenso unterstützt, gepflegt und erweitert, Aktivitäten der Vereine und Initiativen, die die niederdeutsche Sprache fördern, koordiniert und kulturelle Veranstaltungen begleitet, wie mit vielfältigsten Aktionen auf die niederdeutsche Sprache im Alltag aufmerksam gemacht.
Sprache ist Ausdruck von Heimat, Kultur, Identität, Integration und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Nun steht zum 30 Geburtstag mit dem Plattdüütsch-PIN nicht nur ein neues Symbol mit hohem Wiedererkennungswert für Plattschnacker in den Startlöchern, sondern es steht auch ein Umzug des Plattdüütsch Zentrums an.
Das Plattdüütsch-Zentrum (ZfN) dient insbesondere im Landesteil Schleswig als Informations-, Beratungs- und Koordinierungszentrum zur Förderung und Vermittlung der niederdeutschen Sprache und ihrer Kultur.
Zu seinen Aufgabenfeldern zählen:
Beratungs- und Informationsmanagement, Kooperationen, Gremienarbeit und Öffentlichkeitsarbeit
Wir danken dem Plattdüütsch Zentrum Leck sehr herzlich für seine Unterstützung bei diesem Projekt, wie auch bei vielen weiteren. Seine mannigfaltigen Kontakte und Erfahrungen, waren und sind für uns eine große Hilfe. Der kooperative Austausch und die kollegiale Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen ist immer ein Gewinn für die Sprechergemeinschaft.
Sattler Media Group

Vor über 50 Jahren mit dem Fokus auf Prospektwerbung für den Lebensmitteleinzelhandel gegründet, vereint die Sattler Media Group mittlerweile ebenso langjährige Erfahrungen in den Bereichen qualitativ hochwertiger und aufwendig verarbeiteter Kataloge und Magazine, adressierter und teiladressierter Mailings und Selfmailer, crossmedialer Werbekampagnen sowie zielgruppenorientierter Werbung für die Agrarwirtschaft.
Heute gehört die Sattler Media Group mit ihren 10 Standorten zu den führenden Druck- und Mediendienstleistern in Deutschland.
Platt stellt für Uwe Blank eine Verbindung zu den Menschen her, die auf Hochdeutsch teilweise nicht sofort möglich wäre. Er wünscht sich, dass auch Menschen, die nicht perfekt Platt können, einfach mal schnacken und man so ins Gespräch kommt.
Der Firmenleiter Holger Schöneis und die Produktionsmitarbeiterin Anita Stahl schnacken im Unternehmen auch Platt miteinander. Die Muttersprachlerin kommt aus Esterwegen im Emsland, wo auch das Interview stattfand.

Das Familienunternehmen aus Schuby bietet seit über 40 Jahren Reisen in die ganze Welt an. Von Busreisen mit ausgezeichneten Premium-Reisebussen, über Flug- und Fernreisen bis hin zu Kreuzfahrten reicht das Angebot.
Dabei steht nicht nur Sicherheit und Komfort im Mittelpunkt, sondern auch die persönliche Beratung. Diese kann dann durchaus auf Plattdeutsch erfolgen. Denn von Haus aus ist die Inhaberfamilie mit der niederdeutschen Sprache großgeworden. Firmenchefin Heidi Bölck hat es sogar geschafft, dass die Familie auch im Betrieb Plattdeutsch miteinanderspricht.
Überhaupt setzt sich der Reisedienst Bölck für die Förderung der niederdeutschen Sprache ein, so unterstützt er das Projekt „Rut mit de Spraak“ des Plattdüütsch Zentrums Leck, auf Initiative von Heidi Bölck wurde ein Plattdeutscher Imagefilm für den Resiedienstleister gedreht.
Auch Reisende kommen immer wieder mit der plattdeutschen Sprache in Kontakt. Zum Beispiel, wenn die Chefin persönlich eine Reise begleitet. Gerne wird hier in der gemeinsamen Muttersprache während der Fahrt oder bei geselligem Zusammentreffen im Bordbistro ausgiebig geschnackt und so ein Stück Heimat mit auf Reisen genommen.